| Letztens sagte mir ein befreundeter Züchter in einem Telefonat wörtlich folgenden Satz: "Im Brieftaubensport scheint es nur noch um Geld zu gehen." Der Sportfreund reist selbst recht erfolgreich, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Er bereist auch gerne weitere und anspruchsvolle Flüge mit seinen Tauben und ärgert sich, genau wie ich selbst, dass man nun auf der Mitgliederversammlung des Verbandes "durch die Hintertür" langsam den 600 Kilometer-Flug abschafft, indem man beschließt, dass ein 600er nicht mehr notwendig ist für die deutsche Meisterschaft.
Als er sagte, dass es nur noch ums Geld gehe, bezog er sich auf darauf wie viele sportfreunde inzwischen versuchen auf allen möglichen Wegen ihre Tauben zu verkaufen. Was alles als Erfolg angepriesen wird und auch was heute als "gute Taube" versucht wird zu verkaufen.
Selbst jetzt zu dieser Zeit, wo vielerorts bereits Eier oder Jungtiere liegen oder gerade angepaart wurde, versuchen Verkaufsschläge noch die übrig gebliebenen Tauben aus 2021 unter das Volk zu bringen.
Der eine erklärt, die Tauben hätten wegen der Corona-Vorschriften nicht nach China verkauft werden können, der nächste verschiebt seine Internet-Auktion wegen angeblich schlechter Taubenfotos, um dann einige Zeit später die Auktion mit Bilder zu starten, die an Peinlichkeit nicht zu überbieten sind. Der dritte dreht regelmäßig Videos und erklärt in einem von diesen Filmen, dass die Winterzucht mit Jungtauben etwa so viele Nachteile, wie Vorteile hat. Macht aber dann selbst eine Winterzucht, trainiert seinen kleinen Bestand "wie Blöde" und hofft auf die deutsche Jungtaubenmeisterschaft, um dann anschließend - man kann es sich bereits denken - im Herbst wieder eine Internetauktion zu starten und Geld zu verdienen.
Wieder ein anderer Züchter war bereits sehr erfolgreich und ist nun hoch motiviert noch erfolgreicher mit Jährigen- und Alttauben zu sein und hat auch mit den Jungen wieder Winterzucht gemacht und wird sie entsprechend vorbereiten....
Es ist alles zu einem Wettbewerb mutiert, in dem die Regelungen (z.b. die Abschaffung des 600ers) zugunsten der Verkaufsschläge angepasst werden und in dem der gewöhnliche Hobbyzüchter noch teilnehmen darf (zumeist als Preislieferant und später als Käufer, der angeblich so herausragenden Tauben), aber in dem der Brieftaubensport als Freizeitgestaltung, als reines Hobby, so nicht mehr wirklich vorkommt.
Es gibt allen Ernstes Sportfreunde (und meistens sind das tatsächlich jene, die mit dem Hobby Geld verdienen wollen), die behaupten, dass das viele Geld und die Verkäufe und all das was damit zu tun hat unserem Hobby in Bezug auf Neumitglieder und Öffentlichkeit gut tun würden.
Was aber oft auf der Strecke bleibt in den letzten Jahren der zunehmenden Kommerzialisierung unseres Hobbys, das ist die Liebe zum Tier. Die Beschäftigung mit dem Wesen Brieftaube und der Bezug zum Einzeltier.
Die Meisterschaften und Bedingungen werden so ausgerichtet, dass ich immer größere Chancen habe, je größter mein Bestand ist. Die Verkäufe und Auktionen sind darauf ausgelegt, dass Züchter ständig neue Tauben anschaffen. Das führt so weit, dass nicht wenige Sportfreunde "ungeteste Zuchttauben" verkaufen, weil ihre Bestände durch ständiges Dazuholen zu aufgebläht sind.
Und das hat das Alles noch mit dem Hobby Brieftaubensport zu tun? Wenig in meinen Augen!
Wir verschlafen es seit Jahren den Brieftaubensport so auszurichten, dass ein Züchter mit einem kleinen Bestand ebenso viele Chancen auf Erfolg und Wahrnehmung hat, wie ein Züchter mit einem riesigen Bestand. Wir verschlafen es seit Jahren, dass die einzelne Taube, die sehr gute Leistungen zeigt, wieder mehr im Mittelpunkt steht. Wir kriegen es seit Jahren nicht hin wieder in großen Konkurrenzen zu reisen, wo die Siegertiere Erfolge gegen große Taubenzahlen erringen und wo es v.a. auf die Qualität der einzelnen Taube ankommt.
Es gibt Regionalverbände da gibt es wegen angeblicher Gerechtigkeitprobleme Gruppenflüge mit Ausnahmegenehmigungen für drei, vier oder fünf Gruppen mit entsprechend winzigen Taubenzahlen. Es gibt Regionalverbände (z.b. auch unseren eigenen), wo man teilweise über alle möglichen Themen heillos zerstritten ist und jede einzelne RV nur irgendwie ihren Vorteil sucht. Und in den RVen wird gezetert über Lage, Wind und Auflassorte und neunzig Prozent der Sportfreunde fühlen sich, egal wo sie wohnen und was sie tun, grundsätzlich benachteiligt.
Leider wird dieser ganze negative Prozess wohl erst enden, wenn in vielen Regionen gar kein Brieftaubensport wie wir ihn noch kenne, mehr möglich ist mangels Züchtern.
Was bleibt einem als Einzelzüchter am Ende noch, um sein Hobby zufriedenstellend auszuführen? Das ist schwer zu sagen. V.a. sollte man sich nicht verrückt machen lassen und den Brieftaubensport als Hobby genießen. Sich mit den Tauben beschäftigen, sich auch erreichbare Ziere setzen und am Ende v.a. den Brieftaubensport so betreiben, dass man Freude daran hat. Egal wie das im Einzelnen aussehen mag...
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