| Immer mal wieder schaue ich auch in die Preis- und Siegerlisten anderer RVen in teilweise ganz anderen Regionen unseres Verbandes. Ich sehe mir dann die Leistungen einzelner Schläge oder einzelner Tauben an.
Dieser Tage fiel mir ein Züchter auf, der im vergangenen Jahr gleich zwei Tauben mit voller Preiszahl auf allen RV-Flügen hatte. Eine der beiden Tauben hatte mit 12/12 Preisen über 700 As-Punkte geflogen, die andere Taube hatte mit 12/12 Preisen etwas über 400 As-Punkten geflogen.
Die eine Taube hätte in einer 25-Prozent-Preisliste, wie es sie früher gab, 10/12 Preise geflogen, die andere Taube hätte in einer 25-Prozent-Preisliste 7/12 Preise geflogen. Das heißt also, dass eines der beiden Tiere zwei Preise im hinteren Teil der Preisliste geflogen hatte, das andere fünf Preise im hinteren Teil der Preisliste. Die eine Taube hatte drei Preise im ersten Zehntel geflogen (also über 90 As-Punkte), die andere gar keinen Preis im ersten Zehntel.
Ich denke dass man einig darüber sein kann, dass die erste Taube im zurückliegenden Reisejahr die deutlich bessere der beiden Tauben war.
Aber ich fürchte, dass es in Deutschland eher Uneinigkeit darüber gibt, ob beide Tiere auch wirklich gute Tauben sind, denn auch hier bei uns zählt ja immer mehr der Spitzenpreis und nicht der Preis an sich. Dabei muss man einmal folgendes festhalten: eine Taube, die im deutschen Programm 12/12 Preise fliegt hat enormes geleistet. Ganz unabhängig davon wieviel As-Punkte sie erflogen hat. Sie hat sich Woche für Woche im ersten Dritten der eingesetzten Preistauben platziert. Von 200 bis 500 oder 600 Kilometer Entfernung. Bei unterschiedlichem Wetter und unterschiedlichen Winden und sehr verschiedenen Bedingungen Woche für Woche. Das muss eine Taube erst einmal schaffen.
Leider haben wir auch in unserem Land eine Entwicklung, dass häufig gesagt wird, eine Taube mit 7/12 Preisen und 650 As-Punkten sei besser als eine Taube mit 12/12 Preisen und 650 As-Punkten. Das wird gesagt, weil die eine Taube viel Spitze geflogen hat und die andere nicht.
Ich finde das insgesamt ein wenig schade. Denn das höchste Gut einer Brieftaube ist für mich doch erst einmal Zuverlässigkeit. Wenn eine Brieftaube es schafft bei Wind und Wetter und unterschiedlichen Bedingungen immer wieder sehr pünktlich zuhause zu sein, dann ist das doch eine Leistung die wir mehr würdigen sollten.
Stattdessen würdigen wir immer mehr - auch durch unsere Meisterschaften - den Spitzenpreis vor der Zuverlässigkeit.
Ich freue mich auch über frühe Preise und erste Konkurse usw. Aber noch mehr freue ich mich über zuverlässige Tauben. Tauben auf die man sich einfach als Züchter verlassen kann. Solche Tiere sind doch etwas, woran man richtig Freude haben kann.
In der vergangenen Reisesaison hatten wir auf dem sechsten Preisflug Besuch von einem befreundeten Sportfreund. Wir standen alle, wie wir es oft tun, bei unserem Nachbarn und warteten auf die Tauben. Plötzlich saß ein Tier bei uns auf dem Dach. Mein Vater hatte die Taube zuerst gesehen und sagte: "Da ist ja einer." - Der Vogel ging rein (und flog damit sogar den ersten Konkurs) und dann kamen nach und nach die Tauben bei uns und unserem Nachbarn. Als achte Taube flog dann unser 21-14 an. Weil er gescheckt ist kann man ihn immer gut erkennen und ich sagte zu unserem Besucher: "Das ist eine gute Taube. Die ist richtig zuverlässig. Da müsste man mehr von haben." Der 14 hatte als Jähriger 10/12 Preise geflogen und hatte in dem laufenden letzten Reisejahr an dem Wochenende dann seinen 6. Preis von 6 Flügen gemacht. Er hatte als Jähriger mit den 10 Preisen über 700 As-Punkte erzielt. und bis zu diesem 6. Preisflug mit den dann sechs Preisen etwa 400 As-Punkte. Er ist kein absoluter Spitzenflieger, aber für mich einfach eine gute Taube. Ich mag solche Tauben auf die man sich eigentlich immer verlassen kann.
Leider ist es in Deutschland so, dass der Trend dahin geht immer mehr nur noch auf "Spitze" hin zu selektieren und zu züchten. Wir versuchen hier eine art Spagat zwischen dem belgischen Reisesystem, wo es nur um die spitze geht und der Allroundtaube, die jede Woche auf unterschiedlichen Entfernungen in die Preise fliegen muss. Selbstverständlich ist es toll, wenn man eine Taube hat, die beispielsweise zweistellig fliegt mit hohen As-Punkt-Zahlen. Diese Tauben sind selten und eher die Ausnahme.
Die Frage, die ich mir aber stelle ist folgende: wo wollen wir hin mit unseren Tauben in der Zukunft? Viele Sportfreunde (zuletzt Rainer Püttmann in seiner Zeitschrift) sagen, dass künftig aufgrund Mitglieder- und Taubenmangel nur noch Flüge über größere Entfernungen wirklich fair ausgetragen werden können und wir sie dann eher mehr brauchen. Es wird dann aber schwieriger für unsere Tauben. Und da muss man die Frage stellen, ob wir nicht die Meisterschaften auch dahingehend (v.a. auch über die RV-Meisterschaften hinaus) entwickeln sollten, wieder viel mehr die Zuverlässigkeit der Tauben in den Vordergrund zu rücken und weniger die Spitze.
Ich bin an diesem Punkt letztlich unschlüssig und weiß nicht was richtig ist. Aber ich denke, dass wir uns darüber wirklich einmal Gedanken machen sollten für die Zukunft. | | |
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