| Es ist wohl mehr als 40 Jahre her, dass ein Brieftaubenflug einmal für unseren Schlag und wohl aucn für unsere RV in einem solchen Desaster geendet ist, wie der zurückliegende Flug vom Samstag. Damals reisten wir noch zum Norden und der Endflug über 600 KM musste mangels zurückgekehrter Tauben nach einer Woche abgebrochen werden.
So einen Verlauf hat der zurückliegende Flug ab Passau nicht genommen. Aber was die fehlenden Tauben betrifft reden wir in unserer RV wahrscheinlich von einem Anteil von an die 40 bis 50 Prozent.
Ich kann und will mich über diese katastrophale Auflassentscheidung einfach nicht beruhigen. Wenn schon kurz nach dem Bekanntwerden des Auflass erfahrene und gute Flugleiter aus verschiedenen anderen Regionalverbänden Kontakt in unseren Regionalverband aufnehmen und fragen; "Was habt ihr denn da gemacht?", wenn diese feststellen: "Das kann doch nicht gut gehen." und wenn in Richtung unserer Verantwortlichen von Flugleiterkollegen von "Hasardeuren" gesprochen wird, dann ist wohl vieles schon erklärt.
Über den ganzen gestrigen Tag hinweg haben mich Sportfreunde aus allen Regionen Deutschlands kontaktiert, haben ihr Bedauern ausgesprochen, versucht Mut zuzusprechen usw. Ich kann mich dafür nur bedanken.
Aber der einhellige Tenor war: "Was habt ihr da gemacht? Wer hat das zu verantworten?" Ein Sportfreund sagte mir: "Ich habe 60 Jahre Brieftauben, aber dieser Auflass widerspricht allem, was ich in diesen 60 Jahren im Brieftaubensport gelernt habe." Ich konnte und wollte ihm da nicht widersprechen.
Man hat ohne Not einen Flug gestartet, der nun viele Sportfreunde an das Ende ihrer Brieftaubenzüchterkarriere bringt. Ältere Sportfreunde stehen vor leeren Schlägen und haben auch kaum oder gar keine Jungtiere gezüchtet und werden nun das Hobby beenden (müssen).
Ich will versuchen noch einmal kurz aufzuarbeiten was an diesem Flugtag passiert ist:
Nachdem unser Regionalverband am vergangenen Sonntag einen recht glatten 400 KM-Flug ab Wörth an der Donau absolviert hatte, wurden einzelne (zumeist berufstätige Sportfreunde) am Donnerstag durch das Flugleitergremium kontaktiert, um zu erfragen, ob es ihnen möglich sei am Freitag Mittag ihre Tauben einzusetzen, da man wetterbedingt beabsichtige den Flug ab Passau vom Sonntag auf den Samstag vorzuziehen. In erster Linie wurde mit den deutlich höher vorhergesagten Temperaturen am Sonntag argumentiert.
Nachdem hier wohl größtenteils Einigkeit erzielt worden war, erhielten wir am Donnerstag gegen 16 Uhr die Mitteilung durch das zuständige Flugleitergremium, dass das Einsatzgeschäft für den Flug ab Passau am Freitag ab 13 Uhr erfolgen solle. Hierzu muss man wissen, dass es eigentlich einen Beschluss lt. Protokoll der Regionalverbandssitzung gibt, dass wir für den Fall das ein 500 oder 600 KM-Flug auf den Samstag vorgezogen werden muss, am Donnerstag abend einsetzen.
Die 5 beteiligten RVen setzen die Tauben in zwei Fahrzeuge. Die RVen Hamm an der Lippe und Lippetaler Hamm nutzten ein Fahrzeug, die RVen Werl und Umgegend, Sauerland Meschede und Möhnetal Warstein nutzten das andere Fahrzeug, wobei die RV Möhnetal Warstein ihre Tauben in den Anhänger einsetzte.
Bereits am Abend nach dem Einsetzen gaben die Wetterberichte eindeutig her, dass ein früher Auflass in Passau nicht möglich sein würde (Regen, starke Bedeckung, schlechte Sicht). Es wäre also möglich gewesen die Fahrer unterwegs anzuweisen gar nicht erst bis Passau zu fahren, sondern einen kürzer gelegenen Auflassort aufzusuchen. Passau wurde aber angefahren, wobei sich die Wetterlage weiter verschlechterte und selbst ein Auflass der Tauben bis 10 Uhr schon am späten Freitagabend nicht mehr möglich erschien.
Als sich am Samstagmorgen in unserem Regionalverband bereits fast alle Sportfreunde darauf eingestellt hatten, dass die Tauben bis zum nächsten Tag stehen bleiben und gegebenenfalls dann sogar ein Stück zurück gefahren werden, erhielten wir die Mitteilung dass sie um 10.50 Uhr gestartet wurden.
Es war bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich klar, dass der Flug keinen guten Verlauf nehmen konnte. Die Wetterbedingungen am Auflassort waren mehr als bescheiden (Ich habe dazu einige Webcam-Aufnahmen gespeichert), es wurden für den Heimatbereich am Nachmittag recht hohe Temperaturen und Sonnenschein vorhergesagt und es herrschte auf der gesamten Strecke (erstmals in diesem Jahr) leichter Kopfwind. Es musste also mit einer Flugzeit von etwa sieben Stunden in der Spitze gerechnet werden. (im Ergebnis erzielte die Siegertaube des Regionalverbandsflugs fast exakt 1200 m/min), was eine Rückkehr der ersten Tauben um etwa 18 Uhr bedeutet hätte.
Die Tauben kamen bei den allermeisten Schlägen spärlich bis schlecht oder gar nicht bis zum Eintreffen der Dunkelheit. Bemerkenswert ist an dieser Stelle: Die beiden RVen mit der weitesten mittleren Entfernung (Hamm) hatten die deutlich kürzesten Konkurszeiten, während die Konkurszeiten der Tauben in dem anderen Kabi-Zug deutlich länger waren ( 4 Stunden, 7 Stunden, 8 Stunden). Hier muss geprüft werden ob die Tauben in diesem Kabi ordnungsgemäß versorgt wurden (bei der Anfahrt und am Auflassort), denn solche Differenzen sind sehr ungewöhnlich zumal eben die beiden weitesten Rven ingesamt einen deutlich besseren Flug hatten.
Am Sonntag morgen kamen einige Tauben nach bis etwa 10.30 Uhr, aber insgesamt deutlich zu wenig. Danach riss es, vermutlich wärmebedingt, erneut ab.
Viele Züchter stellen sich die Frage: was hat den zuständigen Flugleiter zu einem so späten Auflass bewogen, wo doch alle Möglichkeiten bestanden hätten stehen zu bleiben und am Sonntag früh auflassen zu können oder auch im Vorlauf oder im Nachhinein die Strecke zu verkürzen. Es ist überhaupt nicht ersichtlich warum ein so später Auflass zu einem anspruchsvollen Flug derart spät erfolgte, wo doch die Erfahrungen seit Jahren zeigen, dass in der Regel späte Auflässe bei weiten Flügen zu keinem guten Flugverlauf führen.
Wie kann es sein, dass für eine Vorverlegung des Fluges mit niedrigeren Temperaturen argumentiert wird, die Tauben dann aber so aufgelassen werden, dass sie in der heissesten Phase des Tages in den Heimatbereich fliegen müssen und das bei höheren Temperaturen als bei einem sehr frühen Auflass am Sonntagmorgen (welcher ja möglich gewesen wäre)?
Es wäre wirklich alles möglich gewesen: aufgrund der Wetterprognosen schon frühzeitig die Fahrer informieren und kürzer zu fahren. Frühzeitig von Passau wegfahren und die Strecke verkürzen (wie es ein anderer Regionalverband getan hat), die Strecke verkürzen und am nächsten Tag bei gutem Wetter auflassen., in Passau stehen bleiben und am nächsten Tag dort auflassen (was allerdings auch sehr anspruchsvoll gewesen wäre).
Es hätte reichlich Alternativen gegeben den Tauben einen sicheren Heimflug zu gewährleisten. Nichts davon wurde getan. Es wurde ein Auflass beschlossen, der in meinen Augen schlichtweg so nicht zu verantworten war.
Das sind nun alles Dinge, die aufgearbeitet werden müssen. Sind die Tauben gut versorgt gewesen? Warum wurde in Anbetracht der Wetterverhältnisse ohne Not der Auflass entschieden? Wer war an der Entscheidung beteiligt? Wer hat es zu verantworten? Und dann müssen einfach Konsequenzen gezogen werden. So etwas geht nicht. Niemand macht solche Fehler absichtlich, aber hier geht es um Tiere und mit diesen Tieren ist nicht so sorgfältig verfahren worden, wie es zwingend notwendig gewesen wäre.
Kurz noch zu unserer Situation hier im Schlag. Von 35 eingesetzten Tieren haben wir 22 zuhause. Das ist prozentual wohl noch eines der besseren Resultate in unserer RV. Es fehlen die besten Tauben, die wir in diesem und auch in den letzten Jahren hatten. Alte und erfahrene Tauben, die schon viele Flüge erfolgreich bestritten haben. Tauben mit 8/8, 7/8, 7/8, 7/8, 7/8. 7/8, 6/8 usw. Preisen bisher. Tauben mit vielen Spitzenpreisen in diesem und auch in den Vorjahren.
Es ist wirklich ein Debakel wie wir es in den letzten 40 Jahren nicht erlebt haben. Die Tiere waren - das kann man mir wohl glauben, denn so viel verstehe ich von Brieftauben - in einer sehr, sehr guten Verfassung für einen ordentlch verlaufenden 500-Kilometer-Flug. Beim Einsetzen der Tauben war ich wirklich sehr zuversichtlich.
Aber das ist nun alles hinfällig und fünf Jahre züchterische Aufbauarbeit nach dem letzten schlimmen Flugverlauf 2018 sind zu einem ganz großen Teil zunichte gemacht. An das Schicksal jeder einzelnen Taube, die nun noch bei uns und auch bei vielen anderen Sportfreunden fehlt, darf ich gar nicht denken, sonst wird mir schlecht.
Solange die Geschehnisse um diesen Flug nicht vollständig und vollkommen klar aufgearbeitet worden und die Verantwortlichen benannt sind, geht von unserem Schlag keine einzige Taube mehr in einen Kabinenepress. Keine Alttaube und keine Jungtaube.
Hier gibt es nichts mehr schön zu reden, auch wenn es gottseidank auch Sportfreunde gibt, die ihre Tauben besser und zahlreicher nach hause bekommen haben. Aber Konkursverläufe von 7 oder 8 Stunden über Nacht sind in der heutigen Zeit schlicht nicht mehr tolerierbar, wenn sie schon im Vorfeld bei sorgfältiger Arbeit absolut zu vermeiden gewesen wären.
Daher sei mir heute noch folgende Anmerkung gestattet: wer es für richtig befindet heutzutage einen 500 KM-Flug bei nicht einfachen Bedingungen und bei schwierigem Wetter am Auflassort erst eine Stunde vor Mittag zu starten, der hat entweder wenig bis keine Ahnung von Brieftauben oder das Schicksal der Brieftauben ist ihm völlig egal oder er war zum Zeitpunkt der Entscheidung irgendwie in seiner Entscheidungsfindung beeinträchtigt oder beeinflusst.
Ich hoffe dass auch die zuständigen Gremien unseres Verbandes sich mit diesem Flug ausgiebig beschäftigen und entsprechende Entscheidungen treffen. So geht es einfach nicht mehr! | | |
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