| Neben den Themen Versorgung der Tauben, medizinische Betreuung, Impfungen usw. mache ich mir immer sehr viele Gedanken darüber, was wir hier in Deutschland eigentlich für Tauben für unser Reiseprogramm benötigen.
Es war immer die Rede von der deutschen Allroundtaube, die von 200 bis 700 Kilometer Entfernung alle Ansprüche sehr gut bewältigen kann über dreizehn, vierzehn Wochen nacheinander.
In der Praxis sieht es inzwischen allerdings so aus, dass unser deutsches Reiseprogramm in den allermeisten Regionen immer anspruchsloser wird. Die Tauben werden nur noch bei besten Wetterbedingungen (ständig werden wegen drei Wolken mehr oder weniger am Himmel oder der Angst vor einem Schauer Regen Flüge verlegt) aufgelassen und die Entfernungen werden immer geringer. Die Bedingungen für die deutsche Meisterschaft für Alttauben hat man inzwischen so weit herunter reguliert, dass man, um deutscher Meister zu werden, nicht einmal mehr einen 600 Kilometer Flug benötigt.
Das führt über kurz oder lang natürlich dazu, dass wir auch andere Tauben bekommen, weil wir anders züchten müssen. Tauben mit Steherqualitäten, die mal neun, zehn oder elf Stunden auf dem Flügel sein müssen (oder mal über Nacht gehen müssen), sind im deutschen Programm nicht mehr gefragt.
Ich könnte mich nun ellenlang darüber auslassen warum das so ist - das führt aber an dieser Stelle zu nichts. Deswegen nur eine kurze Bemerkung am Rande: wer aus Kurzstreckentauben (aus Belgien) züchtet und das Programm an diese anpasst, der bekommt eben am Ende im Schnitt auch wieder Kurzstreckentauben (ob es nun van den Bulck sind oder Heremans oder wie sie alle heißen).
Da im deutschen Programm ganz besonders die Spitzenpreise und die As-Punkte wichtig sind und die deutschen Züchter große Flüge im Regionalverband oder mit mehreren Regionalverbänden in ihrer Mehrheit auch noch scheuen wie der Teufel das Weihwasser, züchten wir hier in unserem Land nun seit einigen Jahren eine sehr spezielle Taube:
sie ist schnell, sie ist recht anfällig für schwieriges Wetter und sie ist geeignet "Strich zu fliegen", bekommt aber schon Schwierigkeit, wenn sie mal in einem anderen, größeren Verbund aufgelassen wird, als den gewohnten.
So kann man, überspitzt formuliert, vielleicht sagen: unsere deutsche Taube ist auf der Kurzstrecke schlechter als Kurzstreckentauben in Belgien, ist gut auf der Mittelstrecke im relativ kleinen Verbund (aber da schwächer als die Programmtaube z.b. in Holland) und für größere Strecken bald gar nicht mehr geeignet.
Die Anforderungen an eine Taube, die festgelegt werden über Meisterschaftsbedingungen, formen über Jahre einen Taubentyp. Und an dieser Stelle hinken wir in Deutschland unseren Nachbarn in Holland oder Belgien und (was eine gewisse "Härte" betrifft) sicher auch bald den Polen und anderen, inzwischen sehr weit hinterher und ich sehe nicht, dass sich das in den nächsten Jahren noch ändern wird. Eher im Gegenteil!
Als erfolgorientierter Züchter habe ich nun folgende Wahl:
ich versuche genau die Taube zu züchten, die wir hier in Deutschland brauchen (und vernachlässige dabei andere Faktoren wie z.b. die Eignung für anspruchsvolle Flüge) und spiele weiter um Meisterschaften mit. Oder ich sage irgendwann: ich will andere Tauben haben, Tauben, die auch etwas vertragen können. Tauben, die auch bei schwierigen Bedingungen nach hause kommen...und verzichte damit möglicherweise auf den ein oder anderen Spitzenplatz in der Preisliste oder in den Meisterschaften.
Ich selbst tendiere mehr und mehr dahin zu sagen: lass die Meisterschaften doch Meisterschaften sein und züchte die Tauben, an denen du Spaß hast. Andererseits muss ich so ehrlich sein zu sagen, dass ich an einer Preisliste, in der ich wenig auftauche (weil wir vielleicht nicht mehr die richtigen Tauben dafür haben) auch überhaupt keinen Spaß habe. Wir sind hier vielleicht nicht überehrgeizig und betreiben Brieftaubensport immer noch wie ein ganz normaler "Hobbyist" - aber wir wollen dann schon Erfolg in der Reisesaison haben.
Für uns selbst versuchen wir nun züchterisch einen Zwischenweg zu gehen. Wir versuchen hauptsächlich aus Tauben zu züchten bzw. Tauben in den Zuchtbestand zu integrieren, die gezeigt haben, dass sie auf Flügen zumindest über 500 oder, wenn sie durchgeführt wurden, über 600 Kilometer Spitze fliegen können. Nach Möglichkeit auch in größeren Verbund. Mit diesen Tauben - aus unseren eigenen Reihen und eben auch mal von anderen Züchtern - möchten wir arbeiten.
Wir würden keine Tauben bei Züchtern kaufen (und seien deren Ergebnisse noch so stark) von denen wir schon anhand der Preislisten sehen, dass ihre stärksten Flüge jene sind, wo v.a. das Training auf der Straße wichtig ist (d.h. 200 oder 300 KM) oder die ihre Tauben auch noch für 400 KM richitg fit bekommen, wo aber die Leistung ab 500 Km deutlich geringer wird.
In der aktuellen Brieftaubensport International fiel mir jetzt zufällig so ein Schlag auf, der auf Flügen bis 400 KM massenhaft As-Punkte für eine Meisterschaft eingefahren hat, Aber ab 500 Km wurde das dann doch erheblich weniger, auch wenn es immernoch für tolle Meisterschaften gereicht hat.
Ebenso findet man auf den Auktionsseiten immer wieder Züchter, die Tauben anbieten, wo Eltern oder Großeltern herausragend Spitze geflogen haben. Aber oftmals eben "nur" bis 400 KM mit teilweise mehreren ersten Konkursen usw. Bei Entfernungen darüber hinaus erheblich weniger.
Das hat dann oft mit der Vorbereitung der Tauben zu tun, mit dem vielen privaten Training, mit der Versorgung usw. Es sind auch Resultate vor denen man den Hut ziehen muss. Aber für uns sind Tauben aus solchen Schlägen nicht wirklich interessant. Wir suchen, auch wenn wir in Deutschland die Ansprüche an unsere Tauben immer weiter herunter schrauben, doch noch, so gut das geht, die Programmtaube, die auch bis 600 oder mehr KM und auch bei schwierigen Ansprüchen, gut ihre Preise fliegen kann. Ob uns das immer gelingt solche Tauben zu tauschen, zu kaufen oder selbst zu züchten weiß ich natürlich nicht. Aber wir versuchen es weiter... | | |
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