| Das Thema, welches ich hier gestern behandelt habe, d.h. die Qualität der Tauben hinsichtlich weiter Flüge und großer Auflässe, wurde gestern auch für einige Zeit in dem Podcast "Berger fragt" der Firma Röhnfried behandelt. Ein Züchter stellte dort die Frage, warum eben solche weiten Flüge und großen Auflässe so oft von Sportfreunden gefordert würden, aber doch selten einmal durchgeführt.
Ich denke nicht, dass die Mehrheit der Züchter diese Flüge fordert oder überhaupt haben möchte. Viele Sportfreunde sind heute einfach froh und zufrieden, wenn ein 300 oder 400 KM-Flug einen glatten Verlauf nimmt und die Tauben möglichst schnell und möglichst vollständig zuhause sind. Das ist auch absolut in Ordnung und so kann man den Brieftaubensport sicherlich zu seiner Zufriedenheit ausüben.
Ob damit die Taubenqualität und die Fähigkeit der Brieftauben, auch über große Strecken und bei schweren Bedingungen nach hause zu kommen, züchterisch erhalten bleibt über die Jahre, ist aber sehr fraglich. Ich habe das gestern hier schon ein wenig ausgeführt.
Alfred Berger führte in der gestrigen Sendung u.a. an, dass es immer sinnvoll ist Tauben frühzeitig an alles zu gewöhnen und sie an Aufgaben heranzuführen. Auch große gemeinsame Auflässe sollten geschult werden. Frederik Wolf ergänzte, dass man das durchaus schon bei Jungtieren tun könnte und vielleicht tun sollte. Ich stimme da mit den beiden überein. Schulung ist immer gut.
Es ist aber aus meiner Sicht nicht so, dass große gemeinsame Auflässe immer auch zu größeren Verlusten führen, wie Alfred Berger es gestern erklärte.
Unsere Erfahrung ist, dass es eben nicht notwendigerweise so sein muss, das bei diesen gemeinsamen Auflässen und größeren Entfernungen mehr Tauben ausbleiben als normal.
Ich habe hier Preislisten liegen von Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Also etwa 30 Jahre alt. Damals wurden selten große gemeinsame Auflässe gestartet. Aber wenn sie dann geplant waren, dann freuten sich viele Sportfreunde darauf und nahmen gerne mit ihren Tauben daaran teil. Die 600er auf der Ost- oder Südostrichtung wurden hier in NRW dann in einem riesigen Einzugsgebiet durchgeführt.
Wir flogen 1992 den 4. Konkurs national von Posen (600 KM) gegen etwa 20.000 Tauben und diese Tiere kamen aus einem Gebiet von Osnabrück bis zum Siegerland und von der hessischen Grenze in NRW bis hinten nach Essen, Gelsenkirchen usw. Das Wetter war anspruchsvoll, aber gut und es gab auf diesem Flug und auch anderen in anderen Jahren keine nennenswerten Verluste.
Im Reisejahr 2021 wollten wir als Regionalverband 412 einen gemeinsamen Auflass mit dem Regionalverband 402 (Dortmund) über 600 KM starten. Die Flugleiter entschieden damals wetterbedingt den Flug auf Passau (500 KM) zurück zu nehmen. Die Umstände führten dann dazu, dass sich an dem Flug ab Passau auch noch der Regionalverband 403 (Bochum) beteiligte. Es herrschte kräftiger Südostwind (also Rückenwind).
Die Tauben von uns hier als vorne liegenden RVen überflogen alle. Schon die ersten Tauben kamen genau aus dem Westen zurück und wir konstatierten sie hier immernoch mit fast 1700 m/min in der Spitze. Damit hatten wir in der großen Preisliste natürlich keine Chance. Aber das kann man nicht beeinflussen und es ist auch nicht tragisch. Die Tauben kamen trotzdem alle wieder und kamen gut wieder und es gab gar keine Schwierigkeiten. Und dass obwohl sie niemals in so einer Konkurrenz geflogen waren und das Ganze durch das Überfliegen auch erheblich erschwert war.
Die Tauben können es also und man muss sie auf solche gemeinsamen Auflässe nicht unbedingt besonders vorbereiten oder sie besonders schulen - auch wenn jede Schulung natürlich besser ist. Aber insgesamt hat es einfach auch mit der Qualität der Tiere zu tun.
Da fällt mir ein sehr bekannter Züchter ein mit überragenden Erfolgen über viele ´ Jahre. Er nahm mit seinen Tauben und seinem Regionalverband 2021 an einem sogenannten Münsterland-Flug teil. Drei Regionalverbände ließen damals gemeinsam einen 500 KM-Flug auf.
Auch da waren die Bedingungen so, dass die Tauben in der Spitze um die 1600 m/min flogen. Bedingt durch das Wetter und eben die andere Konkurrenz flogen die Tiere vermutlich eine völlig andere Linie als sonst. Was passierte? Dieser überaus erfolgreiche Züchter hatte drei Stunden nach seiner ersten Taube erst 15 seiner 50 eingesetzten Tiere zuhause. In der Folgewoche setzte er noch 27 Tauben auf den nächsten Flug. Wie groß die Verluste insgesamt waren - das weiß ich nicht.
Aber da kommt mir dann der Verdacht auf, dass die ansonsten überragenden Erfolge dieses Sportfreundes nicht zuvorderst mit der Qualität seiner Tauben zu tun haben, sondern vielleicht eher mit der Vorbereitung dieser Tiere durch viel privates Training und damit verbundenem "Strichfliegen" und der Versorgung und Führung der Tauben insgesamt.
Es gibt Schläge welche, egal wie die Bedingungen sind, immer gut reisen und wenig Verluste haben. Und es gibt Bestände, die fast grundsätzlich "auf dem Bauch liegen", wenn Flüge einmal anders verlaufen, als gewohnt (durch Wetter oder große Konkurrenzen usw.).
Die einen - das sind aus meiner Sicht die Schläge mit dem guten Taubenmaterial (auch wenn diese Bestände vielleicht nicht immer die absolute Spitze fliegen). Die anderen sind meiner Meinung nach die Bestände mit dem sehr guten System und den dazu passenden Systemtauben.
Wenn ich die Wahl hätte mir irgendwo Tauben zu holen, dann würde ich das immer bei den Schlägen mit dem guten Material tun und nicht bei den Beständen, wo man schon anhand der Preislisten vermuten kann, dass die Erfolge ganz besonders auf das System der Taubenbetreuung zurückzuführen sind. | | |
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