| Auch von dieser Stelle möchte ich all den vielen Sportfreunden danken, die uns in der vergangenen Woche ihre Anteilnahme zum Tod meines Vater ausgesprochen haben, die uns Trost gespendet und Unterstützung geleistet haben.
Es war für uns überwältigend wieviele Menschen und auch wie viele Brieftaubenfreunde, sich mit lieben Worten bei uns gemeldet haben und versucht haben uns in dieser wirklich sehr schwierigen emotionalen Situation zu helfen.
Es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern bis wir das Alles zumindest ein Stück weit verarbeitet haben. Aber es tröstet, wenn man weiß, dass man nicht alleine ist und dass viele Menschen Papa auf seine (oftmals sehr eigene Art) zu schätzen wussten.
Auch hier bei den Tauben wird sich nun in den nächsten Wochen einiges ändern gegenüber früheren Jahren. Zwar habe ich die Tauben im Herbst, Winter und Frühjahr zumeist alleine versorgt und betreut, aber Papa war eben immer da, wenn ich mal keine Zeit hatte. Wenn wir in den Urlaub gefahren sind oder ich beruflich allzu sehr eingespannt war. Und ganz besonders auch in der Reisezeit. Wenn ich im Schichtdienst gearbeitet habe, dann hat er die Reisetauben zum Freiflug herausgelassen und gefüttert und beobachtet und mir alles mitgeteilt, was ihm aufgefallen war.
Sehr Vieles von dem was ich über Brieftauben weiß, habe ich von meinem Vater gelernt. Eines jedoch werde ich wohl nie in der Klarheit und Perfektion können, wie Papa es konnte: das Beobachten der Tauben.
Er setzte sich zwischen die Tiere, beobachtete sie und konnte mir nach wenigen Minuten Dinge sagen, die mir oft erst viel später aufgefallen wären. Papa war ein Mensch, der eine ganz besondere Beziehung zur Natur hatte. Er hatte nicht nur Brieftauben, sondern zwischendurch auch Schafe, Ziegen, Hühner, Gänse, Puten, Kaninchen einen Schäferhund, auch mal ein Hängebauchschwein usw. Und er hatte für all diese Tiere eine ganz besondere Beobachtungsgabe.
Hinsichtlich der Führung unserer Brieftauben hat uns diese Gabe oft geholfen.
Immer mal wieder sagte er mir in früheren Jahren, wenn ich die Tauben während des Freiflugs sauber machte: "Schau dir besser die Tauben an, statt zu Kratzen! Da siehst du mehr als wenn du jeden Haufen Scheiße vom Schlag säuberst." Und damit hatte er absolut recht, wie ich mit den Jahren lernte.
Manchmal waren Züchter hier zu Besuch um sich einige Tauben hier abzuholen und hin und wieder sagte mein Vater nachher: "Dem hättest du besser nie eine Taube gegeben." Wenn er sah wie einige Sportfreunde eine Taube anfassten, dann wusste oder ahnte er schon: das wird nie was. "Die haben einfach kein Gefühl für Tauben", sagte er immer mal wieder.
Das Gefühl für Brieftauben und das Verhältnis zur Natur waren in den letzten Jahren immer mehr Papas Themen geworden. Er hatte überhaupt kein Verständnis dafür, wenn die Tauben, so wie es aktuell heute wieder ist, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt (hier bei uns schneit es aktuell - aber nicht weit von hier stehen Kabis an Auflassplätzen) zu Flügen herumgefahren und aufgelassen wurden. Genauso wenig, wie er es verstehen und akzeptieren konnte, wenn man Tauben bei schwülem Wetter und hohen Temperaturen kurz vor Mittag zu Flügen über 500 Kilometer aufgelassen hat, so wie es letztes Jahr bei unserem Katastrophenflug der Fall war.
Ich erinnere mich an seinen Satz: "Solche Idioten müsste man für den ganzen Brieftaubensport sperren. Die können es nicht und die lernen es nicht. Die haben kein Gefühl für Brieftauben." So knorrig und hart wie mein Vater manchmal wirkte - wenn es um die Tiere und seine Brieftauben ging, hatte er oft mehr Gefühl im kleinen Finger als andere Menschen im ganzen Arm.
Wenn er gesehen hätte, dass, so wie gestern, Flüge bei sehr niedrigen Temperaturen und Schauern in der Strecke durchgeführt werden, dann hätte er die Verantwortlichen gefragt, ob sie noch ganz dicht sind. Wenn dann das Argument kam: "Tauben macht die Kälte nichts, die können das.", dann musste er immer Lachen. Und stellte die Gegenfrage: "Und wann fängst du mit der Medizin an? Wann haben sie "dicke Köpfe"? Das kommt nämlich sehr bald,"
Diese ganze Verlogenheit im Brieftaubensport, der übertriebene Ehrgeiz und Egoismus war ihm zuwider. Aus diesem Grund hatte er in den letzten Jahren auch immer weniger Freude an unserem Hobby. Ja, wenn die Tauben vom Flug zurückkamen, dann war er immer dabei und schaute sie beim Anflug an und es war immer sein Anspruch, dass wir erfolgreich und gut reisen.
Aber Tauben zu riskieren für irgendwelche Meisterschaften, für Pokale und die Erfüllung irgendwelcher Bedingungen - danach stand ihm nicht mehr der Sinn. Obwohl Papa sicherlich zu den erfolgreicheren Brieftaubenzüchtern in all den Jahrzehnten gehörte und auch immer ehrgeizig war, konnte er niemals etwas damit anfangen wenn Züchter ihren Erfolg und ihren Ehrgeiz über alles stellten.
Solange ich denken kann haben wir im Grunde genommen jeden Tag über Brieftauben gesprochen. Alles rund um unser Hobby wurde hier beredet und diskutiert und diese täglichen Gespräche fehlen mir schon jetzt so unglaublich, dass ich derzeit nur wenig Motivation habe zu unseren Tauben zu gehen. Ich kann es schwer ertragen mich zwischen sie zu setzen und in jeder Sekunde an Papa erinnert zu werden. Das wird sich geben mit der Zeit. Denn letztlich sind unsere Brieftauben eine sehr sehr positive Erinnerung an meinen Vater (und auch an meinen Opa und meinen Großonkel). Die Brieftauben bleiben hier und sie gehören hierher und zu uns.
| | |
|