| Am zurückliegenden Wochenende las ich in einem kleinen Bericht, dass im vergangenen Reisejahr ein Schlag, der die Ostrichtung bereist, Schwierigkeiten mit den Tauben hatte, weil teilweise über Wochen immer wieder, teils extremer, Ostwind vorherrschte. Es kam wohl in der RV und auch bei diesem Schlag zu teilweise deutlich zu langen Konkurszeiten und auch zu Verlusten, insbesondere bei den jährigen Tauben.
Diese Probleme kennen wir auch auf unserer Südostrichtung. Da unsere Reisevereinigung im Regionalverband auch noch vorgelagert ist gegenüber anderen RVen, überfliegen viele Tauben und tun sich doch schwer damit wieder zurück zu kommen.
Nun ist ständiger Ostwind eher die Ausnahme in einem Reisejahr, aber insgesamt muss man schon feststellen, dass es deutlich häufiger östliche Winde gibt, als das früher der Fall war.
Von Sportfreunden, welche die Südwest- oder Westrichtung bereisen, kennt man das seit vielen Jahrzehnten. Die Tauben fliegen mit Wind im Rücken oftmals über das Ziel hinaus und müssen dann zurück. Im Ergebnis bedeutet das auf das Jahr gesehen oft (und das ist auf den östlichen Richtungen bei Rückenwind nicht anders): Züchter mit weiteren Entfernungen reisen im Schnitt deutlich besser als Sportfreunde mit kurzen Entfernungen. Letzteres wäre zu vernachlässigen, wenn es nicht manchmal auf den kurzen Entfernungen auch zu deutlich höheren Verlusten kommen würde.
Nun gibt es immer Züchter, die dann überlegen, wie man auf diese Windverhältnisse reagiert. Sehr häufig habe ich schon gehört: "Wenn es Rückenwind gibt, dann füttere ich insgesamt leichter und am Einsatztag gar nicht mehr oder sehr knapp." Ich habe das immer für Unsinn gehalten und halte es auch weiter für Unsinn.
Eine Taube fliegt nicht über das Ziel hinaus, weil sie etwas kräftiger und stärker gefüttert worden ist. Daran kann ich in keiner Weise glauben. Eine Taube fliegt über das Ziel hinaus, weil sie sich vom Wind drücken lässt und, wenn man so will, nicht voll konzentriert ist. Sie bleibt im Schwarm, sie lässt sich treiben und sie ist, z.b. als jährige Taube, noch unerfahren und stellt zu spät fest, dass sie viel zu weit geflogen ist.
Es hat doch nichts damit zu tun, dass das Tier in der Woche mehr Energie aufgenommen hat oder zum Einsatz hin nochmals kräftig gefüttert wurde.
Oder glaubt wirklich jemand, dass eine Taube, die am Einsatztag nicht mehr oder nur ganz wenig gefüttert wurde und auch davor etwas leichter, dann früher "abbremst"?!
In dem Bericht über die besagte Schlaggemeinschaft wurde erwähnt, dass man dort überlegt den Tauben am Einsatztag noch Freiflug zu geben. falls wieder einmal starker Rückenwind vorhergesagt ist. Auch das halte ich für wenig zielführend. Ich denke nicht, dass eine Taube, nur weil sie am Tag vor dem Flug morgens noch einmal eine Stunde trainiert hat, dann weniger weit mit Rückenwind über das Ziel hinaus schießt. Ist denn die Taube am Flugtag weniger flugfreudig, wenn sie nochmal einige Zeit am Einsatztag geflogen ist? Ich glaube das nicht.
Ich denke das Überfliegen bei Rückenwind hat mit zwei Faktoren entscheidend zu tun: mit der Erfahrung der Taube und mit ihrer Qualität. Eine Taube muss auch das lernen. Sie überfliegt ein Mal, vielleicht auch ein zweites Mal, aber spätestens beim dritten Mal muss sie es im Kopf haben, dass sie nicht mit dem Schwarm und gedrückt vom Rückenwind bis weit über den Heimatschlag hinaus fliegt.
Ja, sie wird sich auch dann immer noch drücken lassen durch den Wind. Aber wenn sie Qualität hat und dazu noch eine gute Form, dann wird sie frühzeitig umkehren.
Ich denke dabei immer an unseren Endflug 2021. Die Tauben wurden zum Nationalflug Passau um 6.30 Uhr gestartet. Die Regionalverbände 402 (Dortmund), 403 (Bochum) und unser Regionalverband 412 (Lippe-Ruhr) ließen zusammen auf. Es war für sehr viele Tauben das erste Mal, dass sie mit Tieren aus dem Raum Bochum oder Dortmund gestartet wurden. Es herrschte böiger Rückenwind. Die Tiere flogen mit über 1.700 m/min in die Heimat und überflogen praktisch alle. Schon die ersten Tauben kamen hier aus dem Westen zurück. D.h. trotz 500 KM Entfernung flogen die Tauben deutlich zu weit. Wir hatten zwei Tage vorher eingesetzt und die Tauben waren am Tag vor dem Flug allenfalls wenig im Kabi gefüttert worden. Das änderte gar nichts daran, dass die Tiere teilweise bis tief ins Ruhrgebiet flogen und dann zurück mussten. Wir selbst hatten auf diesem Flug prozentual das beste Ergebnis unserer RV in der Nationalliste. Weil die Tauben frühzeitig umkehrten und noch gut in die Preise kamen. Es waren aber auch aus unserem Schlag recht viele alte und erfahrene Tauben am Start, die wussten, dass sie umkehren mussten. Jährige Tauben, die für diesen Flug unterwegs waren, mussten etwas für sie völlig Neues lernen.
Es hätte, und ich bin überzeugt, dass das auch bei kürzeren Entfernungen so ist, nichts geändert wenn man die Tauben anders gefüttert hätte oder sie am Einsatztag noch hätte am Haus trainiert usw. Entscheidend für unser gutes Ergebnis damals war die Form der Tauben, die Motivation und v.a. die Erfahrung. Verluste hatten wir auf diesem Flug übrigens gar keine.
Was heißt das nun? Ich denke, dass wir unseren Tauben viel mehr beibringen müssen. Wir sollten schon mit den Jungtauben beginnen, wenn es möglich ist und das Wetter mitspielt, überregionale Flüge zu veranstalten und dieses selbstverständlich bei jährigen und alten Tauben fortsetzen. So wie es z.b. in Belgien und den Niederlanden praktiziert wird. Ein solches Vorgehen würde der Qualität der Tauben auf die Dauer nur nutzen.
Das Ganze scheitert aber verständlicherweise in Deutschland in jedem Jahr aufs Neue daran, dass für die Wertungen der "großen Meisterschaften" auch große Preislisten, also Regionallisten herangezogen werden, in denen windbedingt viele Schläge keinerlei Chance auf sehr gute Ergebnisse haben. In Belgien käme niemand auf die Idee für As-Tauben-Wertungen zwangsweise National- oder Interprovinzial-Preislisten heranzuziehen. Nur hier in Deutschland muss immer alles groß sein. Und daher rührt dann auch immer das Gezerre um Lage und Auflassorte und Reiserichtungen. Es führt zu nichts.
Regionalverbände mit Längen und/oder Breiten von 80, 100 oder mehr Kilometer können niemals über ein Reisejahr "faire" Regionalpreislisten abbilden. Das ist Unsinn und wird nie funktionieren. Das ist auch ein Problem an dem unser ganzer deutscher Brieftaubensport krankt.
Große gemeinsame Auflässe wären, da wo es möglich ist, absolut richtig und wichtig für die Qualität unserer Tauben. Aber wenn man das umsetzen möchte, dann geht es nur, indem man dann für alle Meisterschaften zur Wertung auch relativ kleine Preislisten zulässt.
Um noch einmal auf meinen Ausgangspunkt zurück zu kommen. Angenommen es steht ein 400-Kilometer-Flug vor der Tür und es wird deutlicher Rückenwind herrschen: glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass eine Taube dann nicht überfliegt, weil ich sie die ganze Woche nur mit Säuberungsmischung versorgt habe? Glaubt denn wirklich jemand dass die Taube nicht überfliegt, weil sie am Morgen vor dem Einkorben nochmal einige Kilometer Strecke um den eigenen Schlag geflogen ist?! Ich glaube das in keiner Weise. Ich glaube, dass eine Taube Erfahrung haben muss und eine entsprechende Qualität und dass sie motiviert und konzentriert sein muss und nicht "blind losfliegen" sollte. Manchmal lassen Rückenwindflüge schon auch Rückschlüsse zu auf verschiedene Dinge, wenn man Preislisten einmal genauer studiert... | | |
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