| Im deutschen Brieftaubensport gibt es alle paar Jahre immer wieder gewisse "Modetrends". Früher mussten es unbedingt Janssen-Tauben sein, wenn man erfolgreich fliegen wollte. In der Folge waren es irgendwann Schellens-Tauben, Vandenabeele-Tauben, Prange-Tauben, Heremans-Tauben, Van den Bulck-Tauben usw. Die Tauben wurden zu der jeweiligen Zeit massenhaft irgendwie gezüchtet und auf den Markt geworfen. Seitdem es die Internet-Auktionen gibt hat sich dieser Trend noch einmal verstärkt. Aktuell sind die Leidemann-Schimmel ganz hoch im Kurs und schlaue Taubenverkäufer haben sich längst irgendwelche Schimmel aus diesen Leidemann-Linien gekauft und versuchen nun die Nachzucht dieser Tiere an den Züchter zu bringen. Nach Leistung wird da irgendwann fast gar nicht mehr gefragt. Hauptsache in der Abstammung steht: "Aus Original Leidemann" und es sind nach Möglichkeit Schimmel-Tauben.
Ich kann nicht beurteilen ob diese Tauben nun besser sind als andere, ob sie schneller sind oder zuverlässiger. Aber Fakt ist auch aktuell wieder: an Nachzucht aus den wirklichen Leistungstieren, d.h. Kinder oder vielleicht noch Enkel der Leistungstauben, kommt der "normale" Züchter ohnehin nicht mehr heran und wenn, dann zu kaum bezahlbaren Preisen.
Jeder Sportfreund muss selbst entscheiden wieviel Geld er ausgibt und in welche Tauben er es investiert. Was ich allerdings durch die vielen Taubenkäufe und -verkäufe beobachte, ist eine zunehmende Unruhe unter den Züchtern. Denn man erwartet relativ zeitnah nachdem man neue (und vermeintlich bessere) Tauben angeschafft hat, auch unmittelbar einen Leistungssprung. Wenn dieser dann nicht eintritt, dann liegt es oft an allem Möglichen (Reiserichtung, Lage, Wind usw), aber sicher nicht daran, dass die neu angeschafften Tauben eben doch nicht besser sind, als die Tiere, die man zuvor hatte.
Hinzu kommt aus meiner Sicht oft eine recht große Ungeduld mit den Tauben bei manchem Züchter. Auch hier kann man wieder den Vergleich zum Fußball ziehen: ein Verein stellt einen neuen Trainer ein, holt auf dessen Wunsch ein paar neue Spieler und wenn es dann sportlich nicht sehr schnell viel besser läuft, dann gibt es im Umfeld dieses Vereins schnell Unruhe und Unzufriedenheit - oftmals mit der Folge, dass der Trainer wieder entlassen wird und der Kreislauf von vorne beginnt.
Im Brieftaubensport sind wir Züchter selbst die Trainer und können uns nicht entlassen. Aber wenn es nicht klappt, dann werden ganz schnell wieder die Tauben (also die Spieler) ausgetauscht. Neue Tauben kann man heutzutage ja ruckzuck wieder anschaffen und damit neue Hoffnungen verknüpfen.
Ich denke für so manchen Züchter wäre es ratsamer erst einmal sich selbst und seinen Umgang mit den Tauben, sein System und den Schlag zu überprüfen, bevor er ständig seinen Taubenbestand austauscht. Und wie eine erfolgreiche Fußballmannschaft auch wachsen muss über mehrere Spielzeiten, so muss auch ein Brieftaubenbestand wachsen und man muss durch Zucht, Auslese und vielleicht durch gelegentliche Neueinführungen nach und nach versuchen die Qualität und damit die Leistungen im eigenen Bestand zu verbessern.
Neben einigen einzelnen Rückmeldungen zu Tauben aus unserem Schlag, die bei anderen Sportfreunden etwas zum Besseren bewegt haben, haben sich in diesem Herbst drei Sportfreunde bei uns gemeldet, die über zwei, bzw drei Jahre einige Jungtauben (zumeist Sommerjunge) geholt hatten. Zwei dieser Sportfreunde sind mit Nachzucht unserer Tauben nun 1. RV-Jungtiermeister geworden und ein weiterer Schlag ist in einer RV mit etwa 40 reisenden Schlägen immerhin 3. RV-Jungtiermeister geworden. Alle drei Schläge ohne dass man gewaltig was am eigenen System geändert hätte. Da wir selbst auch gar keine Jungtierspezialisten sind, hätten wir da auch nicht viel raten können in der Hinsicht.
Das bedeutet nun wahrlich nicht, dass es für diese Züchter im kommenden Jahr auf der Altreise so weiter geht. Da gehört noch viel mehr dazu. Aber es war für diese Sportfreunde ein schöner Erfolg und sicher ein Schritt nach vorne.
Nun findet man bei uns sicherlich vieles, aber sicherlich keine der aktuellen "Moderassen", die für viel Geld gehandelt werden. Was wir aber sagen können: wir haben einen relativ stark durch gezüchteten Stamm, den wir recht streng immer wieder auslesen. Und solche Bestände wie den unseren gibt es doch immer noch bei vielen Sportfreunden in vielen Regionen Deutschlands, die eben nicht sehr viel wert auf Taubenhandel und Einführung neuer "Rassen" usw. legen. In sehr vielen RVen gibt es Züchter, die über Jahre und Jahrzehnte mit nicht allzu großen Beständen und einem echten eigenen Stamm sehr gut fliegen. Wenn man zu solchen Sportfreunden einen guten Kontakt aufbauen kann und ein paar Tauben aus den besten Tieren bekommen kann, dann ist das für das eigene Fortkommen und die Leistungssteigerung im eigenen Bestand meines Erachtens nach doch viel besser, als wenn man versucht sich mit irgendwelchen teuren "Modetauben" zu verstärken.
Wir selbst versuchen auch immer mal wieder Kontakt zu solchen Sportfreunden aufzunehmen. Züchter, die sehr gut reisen, die nicht allzu viel Aufhebens um ihre Tauben machen und nicht allzu viel Aufwand betreiben und die einen eigenen Stamm an Tauben besitzen. Wenn man dann noch hört, dass hier und da abgegebene Tauben dieser Züchter auch an anderer Stelle erfolgreich sind, dann bemühen wir uns einmal Kontakt aufzunehmen. Mit etwas Geduld und wenn persönliche Sympathie da ist, dann kann man auch mal was aus den besten Tieren dieser Züchter bekommen. Und das scheint mir allemal besser zu sein als irgendwelche Tauben im Internet zu kaufen von denen ich im Grunde gar nichts weiß außer einer wunderschönen Abstammung.
| | |
|